Siri ist für viele iPhone-Nutzer seit Jahren ein Begriff – als praktische Hilfe im Alltag, aber auch als Quelle von Frust. Während andere Sprachassistenten wie Alexa oder Google Assistant inzwischen komplexe Aufgaben lösen können, wirkt Siri oft wie ein Auslaufmodell. Ein aktueller Bericht von The Information zeigt jetzt, warum das so ist. Und die Gründe liegen nicht an fehlender Technik, sondern vor allem an Chaos, schlechter Führung und internen Problemen bei Apple.
Apple wollte mit Siri eigentlich Maßstäbe setzen. Eine smarte Assistentin, eingebettet in die Apple-Welt, mit Fokus auf Datenschutz. Die Idee war gut, aber die Umsetzung hakte über Jahre. Jetzt wird klar: Hinter den Kulissen lief einiges schief. Fehlende Klarheit bei der technischen Richtung, interne Spannungen und ein Mangel an Innovationsdrang haben Siri zu dem gemacht, was sie heute ist – eine Sprachassistentin, die den Anschluss verloren hat.
Interne Uneinigkeit bremst Entwicklung aus
Apple hat ursprünglich an zwei Sprachmodellen gearbeitet. Das kleinere Modell namens „Mini Mouse“ sollte lokal auf dem iPhone laufen, das größere „Mighty Mouse“ in der Cloud. Später entschied man sich, stattdessen ein einziges großes Cloud-Modell zu bauen. Diese ständigen Richtungswechsel sorgten für Frust im Entwicklerteam. Einige Techniker verließen das Unternehmen, weil sie keine klare Linie erkennen konnten. Die technische Strategie wurde mehrfach über den Haufen geworfen, was die Produktentwicklung immer wieder zurückwarf.
Probleme in der Unternehmenskultur
Der Bericht beschreibt auch eine Unternehmenskultur, die Innovation eher bremst als fördert. Mehrere ehemalige Mitarbeitende aus Apples KI- und Machine-Learning-Abteilung berichten von einem zu gemütlichen Arbeitsstil, mangelndem Ehrgeiz und wenig Risikobereitschaft. Siri wurde intern als „heiße Kartoffel“ bezeichnet – ein Projekt, das keiner langfristig betreuen wollte. Die gesamte KI-Abteilung trug intern den Spitznamen „AIMLess“, eine Anspielung auf Ziellosigkeit. Zusätzlich gab es Spannungen über Gehalt, Urlaubszeiten und Arbeitsbedingungen, was die Zusammenarbeit im Team weiter erschwerte.
- Apple bestätigt: Siri 2.0 erscheint erst 2026
- Apple-Manager: Siri-Verzögerung ist „hässlich und peinlich“
Fehleinschätzungen auf Führungsebene
John Giannandrea, Apples KI-Chef, war überzeugt, dass man Siri mit besseren Trainingsdaten und optimiertem Web-Scraping verbessern könne. Auf den Durchbruch von ChatGPT im Jahr 2022 reagierte er gelassen und ließ intern verlauten, dass er Chatbots wie diesen keinen großen Nutzen für Nutzer zutraue. Ein echtes Umdenken blieb zunächst aus. Erst 2023 wurde den Apple-Entwicklern verboten, Sprachmodelle anderer Firmen in Siri-Produkte einzubauen – sie durften sie nur noch zum Vergleich nutzen. Dabei waren die Ergebnisse von Apples eigenen Modellen laut Bericht deutlich schlechter als die von OpenAI.
Fokus auf kleine Verbesserungen statt Innovation
Während andere Firmen große KI-Sprünge machten, konzentrierte sich Siri-Chef Robby Walker auf Detailarbeit. Sein Hauptprojekt: Das „Hey“ aus dem Befehl „Hey Siri“ zu streichen. Das dauerte über zwei Jahre. Einen Vorschlag von Entwicklerteams, Siri mithilfe großer Sprachmodelle empathischer zu machen, lehnte Walker ab. Die Idee: Siri sollte emotionale Notlagen erkennen und passend reagieren können. Dieses Projekt wurde nicht weiterverfolgt.
Vision Pro: viele Pläne, wenig Umsetzung
Ein weiteres Projekt mit dem Codenamen „Link“ sollte Sprachsteuerung für die Vision Pro ermöglichen. Nutzer sollten damit allein per Stimme durchs Internet navigieren, Fenster verschieben und Apps bedienen können. Viele dieser Funktionen wurden aber gestrichen – laut Bericht, weil das Siri-Team nicht in der Lage war, sie technisch umzusetzen (via The Information).
Fiktive Demo auf der WWDC 2024
Die große Siri-Demo auf der Entwicklerkonferenz WWDC 2024 zeigte scheinbar beeindruckende Funktionen: Siri greift auf deine E-Mails zu, findet Flugdaten, schickt dir eine Erinnerung zur Mittagszeit und zeichnet eine Route in der Karten-App. The Information zufolge war diese Demo aber nicht echt. Die gezeigten Features existierten zum Zeitpunkt der Präsentation nur als Konzept. Selbst das Siri-Team kannte keine funktionierende Version. Die einzige Demo-Funktion, die tatsächlich auf Testgeräten lief, war das bunte, pulsierende Siri-Band am Displayrand. Für Apple ist das ein Bruch mit der bisherigen Praxis, bei Präsentationen nur marktreife Technik zu zeigen.
Neue Hoffnung durch Führungswechsel
Einige bei Apple setzen jetzt auf Craig Federighi und Mike Rockwell. Federighi hat dem Siri-Team laut Bericht freie Hand gegeben: Sie sollen „alles tun, was nötig ist“, um Siri konkurrenzfähig zu machen. Auch der Einsatz von Open-Source-Modellen anderer Anbieter sei erlaubt – ein klares Zeichen dafür, dass Apple den Rückstand erkannt hat und neue Wege gehen will.
Apple erkennt das Ausmaß des Siri-Problems
Siri ist in den letzten Jahren zum Problemkind geworden. Statt Innovation gab es interne Streitigkeiten, schlechte Kommunikation und technische Umwege. Während andere KI-Tools neue Maßstäbe setzten, stagnierte Siri. Der Bericht von The Information zeigt, dass Apple vieles zu spät erkannt und wichtige Trends unterschätzt hat. Jetzt soll ein Kurswechsel her. Ob der gelingt, hängt davon ab, ob Apple bereit ist, die bisherigen Fehler zu korrigieren – und ob Siri endlich die Unterstützung bekommt, die das Projekt von Anfang an gebraucht hätte. (Photo by SashaMagic / Bigstockphoto)
- Apple kämpft mit Siri: Start des Hubs auf 2026 verschoben
- homeOS: Apples neues Smart-Home-System im Überblick
- Apple Intelligence und Siri: Ein unfertiges Versprechen